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Frauen im Visier von Marketing und Werbung

Nachlese der LeSe-Veranstaltung und Interview mit Dr. Martina Thiele

Mit einem spannenden Vortrag über Geschlechterstereotype und Sexismus in den Medien hat Frau Dr. Martina Thiele, Professorin am Fachbereich Kommunikationswissenschaft der Paris-Lodron-Universität Salzburg, auf Einladung der LeSe im „Gasthof zur Post“ die ZuhörerInnen beeindruckt. In einer anregenden Diskussion wurden die Fragen der TeilnehmerInnen kompetent und praxisnah beantwortet.

Die Idee zur Veranstaltung entstand rund um den Weltfrauentag, der immer mehr unreflektiert als ein weiterer wirtschaftlicher Anlass mit Eventcharakter gesehen und an dem die Zielgruppe Frauen mit speziellen Rabattaktionen umworben wird.

Im Anschluss an die Veranstaltung konnten wir Frau Dr. Thiele noch einige Fragen für den LeSeStoff stellen:

Fr. Dr. Thiele, wie erklären Sie sich die Diskrepanz, dass einerseits ein Bewusstseinsbildungsprozess in Richtung Gendergerechtigkeit stark forciert wird und andererseits „doing gender“, also die „Herstellung“ von Geschlechterrollen, im Alltag derart stark präsent ist?
Martina Thiele: Das sind in der Tat zwei verschiedene Dinge. Auf der einen Seite mag es zwar den Wunsch nach mehr Gleichheit und Gerechtigkeit geben, auf der anderen Seite aber verspricht eine geschlechterspezifische Zielgruppenansprache einen höheren Absatz von Produkten und Dienstleistungen speziell für Frauen und speziell für Männer. Gerade auch Kinder werden von der werbetreibenden Wirtschaft vermehrt als Buben und als Mädchen angesprochen, denn davon versprechen sich die Unternehmen insgesamt steigende Umsätze. So gibt es z.B. inzwischen Süßigkeiten, Spielzeug, Pflegeprodukte speziell für Mädchen und Buben, häufig auch noch farblich markiert durch Rosa und Blau.

Wie lange wird es Ihrer Meinung nach dauern, bis sich veränderte, gleichwertige Rollenbilder in der Gesellschaft etabliert haben?
Martina Thiele: Der Fortschritt ist eine Schnecke! Gesellschaftlicher Wandel passiert nur, wenn wir ihn wollen und einfordern. Wenn Verbraucherinnen und Verbraucher mehrheitlich sehr deutlich machen, dass Klischees und Stereotype sie nicht ansprechen – weil sie diskriminierend, überholt und auch einfach langweilig sind.

Können Sie uns so typische sexistische und stereotype Merkmale in der Werbung beschreiben?
Martina Thiele: Sexistisch ist z.B., wenn mit halbnackten Frauen oder auch Männern in eindeutigen Posen geworben wird. Sexistische Werbung mit Frauen zeigt sie in einer untergeordneten Position, als Objekte, die genauso wie das beworbene Produkt ständig verfügbar sind. Sexistisch heißt darüber hinaus, Frauen und Männer in bestimmten Rollen zu zeigen: ihn als den starken, überlegenen Experten, sie als das Dummchen, dem die Welt erklärt werden muss.

Was empfehlen Sie, wenn man sich gegen stereotype oder diskriminierende Werbung wehren möchte?
Martina Thiele: Da gibt es viele Möglichkeiten: angefangen bei der Beschwerde direkt beim Unternehmen, das diese Werbung in Auftrag gegeben hat, bei der Werbeagentur, aber auch bei Organen der Freiwilligen Selbstkontrolle wie dem Presserat und dem Werberat oder aber bei den Watchgroups gegen sexistische Werbung. Natürlich ist auch ein juristisches Vorgehen denkbar und schließlich der bewusste Boykott von Waren, über deren Werbung man sich ärgert.

Welche Veränderungen der Rollenbilder können Sie in der Gesellschaft anhand der Forschungen der letzten 40 Jahre feststellen?
Martina Thiele: Im Vergleich zu früher sind die in der Werbung transportierten Geschlechterbilder insgesamt schon vielfältiger geworden. Zu den traditionellen Geschlechterstereotypen, etwa dem der Hausfrau und Mutter oder dem des Chefs, sind aber auch neue hinzugekommen, z.B. das der Karrierefrau oder des Softies. Wir haben also mehr Vielfalt, was gut ist, aber auch ein breiteres Repertoire an letztlich ebenfalls stereotypen Geschlechterrepräsentationen.